Ein Pamphlet über Befindlichkeiten.
Sich nach Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, erfordert unter Umständen einiges an Anstrengung. Man geht am Dienstagmorgen mit den Kleingeldrentnern in den Supermarkt, fährt zwei Bahnen zu früh zur Arbeit und wäscht sein Auto mitten in der Nacht im Hausflur, um Situationen zu vermeiden, bei denen man sich zufällig über den Weg laufen könnte.
Zum Glück gibt es jetzt Twitter. Hier kann man sich mit einem einzigen Klick auf “Diesen User blocken” lästiges Nachdenken ersparen und Menschen aus dem Sichtfeld verbannen, die einem nicht in den Kram passen. Die Zeug schreiben, was einem nicht gefällt oder einen an Dinge erinnern, die man lieber schnell vergessen will.
Aber Hand ins Herz… so richtig fair ist das nicht. Da draußen erschießt ihr doch auch nicht jeden, der euch auf die Nerven geht. (Auch, wenn man sich manchmal inniglich wünscht, das ginge, das gebe ich zu.) Oder sperrt die Menschen in eine Holzkiste, die euch ein blödes Gefühl im Bauch machen.
“Das ist aber mein Twitter und da entscheide ich selbst, wen ich lese!”. – Ja, das ist völlig richtig. Dafür hält Twitter die wunderbare Entfolgen-Funktion bereit. Ein Klick, zack, weg. Ihr bekommt keine DMs mehr und müsst das geistige Erbrechen nicht mehr lesen. “Dann wird mir der Rotz aber trotzdem in die TL retweetet!” – So!? what!? Übergebt ihr euch auch immer gleich, wenn ihr jemandem auf der Straße über den Weg lauft, der euch nicht passt?
Seien wir doch mal ehrlich: Kleinere Accounts kann man mit der Entfolgen-Funktion recht zuverlässig aus der Timeline fernhalten und an den großen kommt man auf Dauer sowieso nicht vorbei.
“Versteh‘ ich immer noch nicht, ich blocke wen und wann ich will, das ist MEIN Twitter und basta!” – Ja, ja, schon richtig. Einmal tief in die Papiertüte atmen und noch mal reinkommen, ja? Man kann, wenn man gerade nichts Besseres zu tun hat, auch mal darüber nachdenken, wie sich der Geblockte damit fühlt. “Is mir doch scheißegal!” – Ja, genau. Das hab‘ ich vermutet. Aber ich verrate euch jetzt mal was. Grundlos geblockt werden fühlt sich scheiße an, besonders, wenn man sich persönlich kennt. Es ist kein “Komm, lass uns getrennte Wege gehen”, sondern eine Ohrfeige und ein hinterher gerufenes “Und jetzt verpiss dich, bitch!”.
Die Blocken-Funktion versteht sich für mich als Notfall-Button. Für Accounts, die trotz aller “Bitte lass das!”- Aufforderungen und geduldiger Ignoranz nicht aufhören, ätzende Mentions zu schreiben. Und mir fällt beim besten Willen keine andere Verwendung ein.